Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Kundenmagazin nah klar.
Im Mansfelder Land schlängelt sich eine historische Bahnstrecke durch eine idyllische Landschaft und lädt zu einer entspannten Tour mit vielen Attraktionen. Das Herz der Bimmelbahn ist Zugbegleiterin Peggy Bonan – sie kennt und liebt die Strecke von klein auf
„Zu Ostern hab’ ich schon im Hasenkostüm Süßes verteilt“

Die erste Frühlingssonne strahlt über dem Bahnhof Klostermansfeld, einem liebevoll sanierten Klinkerbau aus dem 19. Jahrhundert, und Peggy Bonan strahlt nicht weniger. In roter Bluse, blauer Weste und Halstuch steht sie hinter dem kleinen Tresen des 40 Jahre alten, aber beliebten Zuges, kocht Kaffee, macht Würstchen warm, stellt Sekt kalt. Es ist Internationaler Frauentag, und am späten Nachmittag startet sie in die neue Saison der „Wipperliese“ – eine gut 20 Kilometer lange Bahntrasse zwischen Klostermansfeld und Wippra durch das malerische Wippertal am südöstlichen Rand des Harzes. Eröffnet wurde die Strecke am 20. Dezember 1920 ursprünglich für den Transport der Bergleute und Güter im Mansfelder Land. Doch bis heute zieht sie viele Bahnfans und Touristen an.
Auch Peggy Bonan ist nicht einfach Zugbegleiterin – sie ist im Grunde die „Wipperliese“. Aufgewachsen in Klostermansfeld fuhr sie schon als Kind mit der Bimmelbahn. Nun kümmert sie sich im zwölften Jahr um die Fahrgäste. „Das wollte ich schon immer machen“, erzählt sie. Ende der 1980er Jahre hatte sie eine Lehre im Eisenbahnbetriebsdienst der DDR absolviert und danach zunächst als Schrankenwärterin begonnen. Später übernahm sie eine Gaststätte im benachbarten Helbra. Doch als sie eines Tages mit ihrem kleinen Enkelsohn wieder im Zug mitfuhr und eine ehemalige Kollegin traf, stellte sie die Weichen ihres Berufslebens neu – und wurde Zugbegleiterin.
Heute hilft die 54-Jährige beim Ein- und Aussteigen, verkauft Fahrkarten und knipst die historischen Pappfahrscheine ab. Sie beantwortet Fahrplanfragen, erzählt von Ausflugszielen, verkauft Würstchen und Getränke und unterstützt die Lokführer, wenn dafür noch Zeit bleibt: Die Fahrt dauert nur rund 30 Minuten, dabei hält der Zug an neun Stationen – und Peg- gy Bonan ist immer in Aktion. Man merkt ihr an, dass sie mit Leib und Seele im Bahndienst ist. „Zu Ostern hab’ ich schon im Hasenkostüm Süßes verteilt“, erzählt sie. „Seit ich als Einzige im Dienst bin, finden wir immer einen Ersatzhasen.“
Der letzte Geheimtipp des Harzes

Als Peggy Bonan 2014 ihren neuen Dienst in Uniform antrat, verkehrte die Wipperliese noch im regulären Fahrplanbetrieb: Sie beförderte Pendler und vor allem Schülerinnen und Schüler von Wippra zur Oberschule nach Mansfeld und zurück. Doch nachdem sich die Schuleinzugsbereiche durch die Gebietsreform verändert hatten, fehlte das wesentliche Standbein für den täglichen Verkehr.
Das Land bestellte den Bahnverkehr zum Frühjahr 2015 ab, unterstützte den Landkreis Mansfeld-Südharz allerdings dabei, einen am touristischen Bedarf orientierten Wochenendverkehr aufzubauen.
Heute fahren die Züge vom Frühjahr bis Oktober mittwochs, samstags und sonntags im Zweistundentakt hin und zurück – bis zu fünfmal am Tag. Außerdem gibt es zu besonderen Anlässen Sonderfahrten. Mit gemütlichen 60 Stundenkilometern rollt der Triebzug über die kurvenreiche Strecke, durch den Rammelburger Tunnel, über 22 Brücken und das imposante, 250 Meter lange Hasselbach-Viadukt, das einen tollen Blick über Mansfeld bietet. So haben die Fahrgäste die Chance, die eindrucksvolle Landschaft in Ruhe zu genießen.
„Urlaub mache ich nur im Winter“
Eine Fahrt kostet 4,50 Euro für Erwachsene, für Kinder 1,50 Euro. Entlang der Strecke liegen einige Attraktionen wie das Schloss Mansfeld, die Parkeisenbahn Vatterode und der Wipperia Funpark. Für Gäste aus Magdeburg oder Erfurt besteht am Bahnhof Klostermansfeld ein direkter Anschluss an den RE10 und zu einer direkten Buslinie nach Lutherstadt Eisleben. An Bord der Wipperliese sitzen durchschnittlich etwa 30 Fahrgäste, bis zu 150 sind es am Tag. Und Peggy Bonan ist immer dabei. „Urlaub mache ich nur im Winter“, erzählt sie. Wegen Krankheit ausgefallen ist sie in zwölf Jahren auch noch nie.
Betrieben wird die Strecke seit 2023 von der Cargo Logistik Rail Service mit Hauptsitz in Barleben – ein mittelständisches Unternehmen mit 30 Beschäftigten, das sich eigentlich auf Güter spezialisiert hat. Die CLR transportiert vor allem Holz, Agrarprodukte und gefährliche Güter, wäre da nicht Geschäftsführer Stephan Carraß, 44, ein ähnlich leidenschaftlicher Bahn-Enthusiast wie Peggy Bonan. Der Magdeburger ist gelernter Lokführer und kennt die Bahn aus dem Effeff. 2022 bewarb er sich mit der CLR in einer neuen Ausschreibung für die Wipperliese – und erhielt
unter mehreren Anbietern den Zuschlag.
Anfang 2023 rollten sie den alten blauen Vorgänger-Zug aufs Abstellgleis und begannen mit den zweiteiligen roten Triebwagen von Ende der 80er Jahre den Neustart. Der Zug der Baureihe 628 bietet Platz für bis zu 140 Gäste, 16 Fahrräder und hat sogar eine kleine 1. Klasse, die 1,50 Euro Zuschlag kostet. „Wir fahren rund 20.000 Kilometer im Jahr“, rechnet Carraß vor. Ein zweiter Triebwagen und ein Esslinger Triebwagen von 1951 stehen dafür als Reserve zur Verfügung. Um die Gleise und weitere Infrastruktur kümmert sich nach wie vor der Verein Mansfelder Bergwerksbahn, der ebenfalls am Bahnhof Klostermansfeld
zuhause ist.
Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt über die NASA die Wipperliese durch eine langfristige Förderung – denn mit den günstigen Fahrpreisen lässt sich das außergewöhnliche Ausflugsangebot nicht rentabel betreiben. Der aktuelle Vertrag mit CLR läuft bis Ende 2028. Und wenn es nach Stephan Carraß und Peggy Bonan geht, soll es danach wie
bisher weitergehen mit ihrer geliebten Wipperliese.
Perlenschnur der Ausflugsorte
Das romantische Wippertal gilt als einer der letzten verborgenen Schätze der Harzregion mit zahllosen malerischen Wanderwegen.
Entlang der kurzen Bahnstrecke liegen reihenweise historische Sehenswürdigkeiten und Attraktionen, darunter das Schloss und der Viadukt in Mansfeld, die Vatteröder Teiche, das Schloss Rammelburg sowie das Schieferhaus und die Museums- und Traditionsbrauerei Wippra. Die Wipperliese lädt zu besonderen Anlässen auch zu Sonderfahrten ein, wie am Abend des Karfreitags und Ostersamstags, zur Walpurgisnacht am 30. April sowie zu Brückentagen, wie am 2. Mai und 30. Mai. wipperliese.de
Eine weitere Attraktion für Eisenbahnfans ist die Mansfelder Bergwerksbahn von 1880 – die älteste betriebsfähige Schmalspurbahn Deutschlands mit 750 Millimetern Spurweite. Sie wird regelmäßig als Museumsbahn betrieben und bietet Fahrten auf etwa elf Kilometern durchs hügelige Harzvorland. Ihre Heimat ist ebenfalls der Bahnhof Klostermansfeld.
mansfelder-bergwerksbahn.de
Mit der Region untrennbar verbunden ist außerdem die Geschichte Martin Luthers: In Mansfeld verbrachte der zukünftige Reformator seine Kindheit und Jugend, hier steht sein ehemaliges Elternhaus. Es ist heute ein Museum, das das Unesco-Welterbe ergänzt. Die Dauerausstellung „Ich bin ein Mansfeldisch Kind“ erzählt vom Alltag der Familie und Luthers Schulzeit.
luthermuseen.de

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