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Dieser Artikel erschien zuerst in unserem Kundenmagazin nah klar.

5,5 Millionen Deutsche nutzen Carsharing – bisher vor allem in Metropolen. Sachsen-Anhalt will das Auto-Teilen nun auch in die Kleinstädte bringen. Vorreiter ist die Goethestadt Bad Lauchstädt. Dort rollen die ersten Autos schon.

Für Kleinstädte außergewöhnlich

Bad Lauchstädt, Kleinod im Süden Sachsen-Anhalts zwischen Geiseltalsee und Halle, zählt nur gut 9.000 Einwohner. Dennoch geht von der Kleinstadt jetzt eine kleine mobile Revolution aus: Gemeinsam mit der NASA und dem Carsharing-Unternehmen „Jetzt mobil“ hat die Goethestadt diesen Winter ein Carsharing-Angebot gestartet, um den ÖPNV zu ergänzen. Auf eigens ausgewiesenen Parkplätzen am neuen Rathaus stehen ein Mittelklasse-Kombi und ein Kleinbus für die Nutzer bereit. Aufschrift: „Miet mich!“ Ein Elektroflitzer soll hinzukommen, sobald die Ladesäule im Frühjahr installiert ist. Für Kleinstädte ist das Angebot außergewöhnlich – meist haben Anbieter Sorge vor fehlender Wirtschaftlichkeit.

In Bad Lauchstädt sieht man das anders. Feuerwehrmann Thomas Werner freut sich bereits über das neue Angebot. In seiner Freizeit leitet der 53-Jährige den Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr mit etwa 20 Musikern. Mindestens ein Dutzend Mal im Jahr treten sie in ganz Sachsen-Anhalt auf. Für die Fahrten wollen sie künftig den Neunsitzer buchen, statt reihenweise Privatautos einzusetzen. „Das ist eine wirklich gute Lösung für uns“, sagt Thomas Werner. Auch privat kann er sich den Gebrauch vorstellen. Er hat schon beobachtet, dass die Autos besonders an Wochenenden häufiger genutzt werden. „Die Möglichkeit hat sich
herumgesprochen“, sagt Werner. „Und die Nutzungsrate wird weiter steigen, wenn die Menschen es verinnerlicht haben und im Frühjahr die Ausflugssaison beginnt.

Fast alle wollen Carsharing

Als Angestellter der Stadt hat Werner den Start von Anfang an verfolgt: Das Rathaus hat einen Account für seine 35 Beschäftigten eingerichtet, damit sie die Wagen für Dienstfahrten nutzen können, wenn sie nicht privat gemietet sind. So soll der städtische Fuhrpark von etwa zehn Fahrzeugen reduziert werden. „Wir erhoffen uns durchaus Einsparungen“, sagt Bürgermeister Christian Runkel (CDU), der die Autos auch selbst fahren möchte. Er hat Carsharing schon als Student in Halle genutzt, jetzt will er beweisen,dass es auch im ländlichen Raum funktioniert. „Es ist eine gute Ergänzung zum eigenen PKW und zum öffentlichen Nahverkehr“, sagt der Bürgermeister, der die Goethestadt seit zehn Jahren lenkt. „Der Bedarf ist groß und die Nachfrage wird wachsen.“ Auch eine Umfrage hatte im Vorfeld großes Interesse der Bürgerinnen und Bürger gezeigt. Fast alle Befragten wollten das Carsharing testen.

Als potentielle Nutzer sieht Runkel Familien, die auf einen Zweit- oder gar Drittwagen verzichten wollen, und junge Leute, die sich kein eigenes Auto kaufen – aber am Wochenende Einkäufe in Halle und Leipzig oder Ausflüge ins Umland unternehmen wollen. Dafür bieten sich der Geiseltalsee mit seiner Marina, der Südharz oder das Unstruttal an. Auch Menschen, die vermehrt im Homeoffice arbeiten und kein eigenes Auto mehr benötigen, gelten als wachsende Zielgruppe. Hinzu kommen Sportvereine, die zu Auswärtsspielen fahren, sowie nicht zuletzt Zuzügler aus Halle und Leipzig, denen das Auto-Teilen längst vertraut ist. Mehr als 20 Nutzer gibt es bereits – wie beispielsweise ein älteres Elternpaar, das sein erwachsenes Kind in Bayern lieber mit dem kom- fortablen Kombi besucht als mit dem eigenen Kleinwagen.

Kleinod im Süden Sachsen-Anhalts: Kurpark, Goethe-Theater und der Geiseltalsee

Per App zum Auto

Wer das Angebot nutzen will, lädt die App herunter und ein Foto von Personalausweis und Führerschein hoch überweist zehn Euro Anmeldegebühr und kann bestenfalls nach wenigen Minuten starten. Die Autos werden ebenfalls über die App reserviert. Die Buchung des Ford Focus kostet im Basistarif 1,99 Euro plus 3 Euro pro Stunde und 30 Cent pro Kilometer – Benzin inklusive. Ein vierstündiger Familienausflug zum Beispiel nach Halle in den Bergzoo ist so für rund 24 Euro zu haben. Geöffnet und verschlossen werden die Autos per App, eine Tankkarte liegt im Handschuhfach bereit. Als zusätzliches Angebot soll die Carsharing-Ladesäule einen öffentlichen Anschluss für alle Elektroautos bekommen. Zudem steht eine Fahrradgarage bereit, in der Räder sicher verschlossen und E-Bikes geladen werden können, während das Carsharing-Auto genutzt wird.

Entstanden ist das Vorzeigeprojekt auf Initiative des Landes. Das Ministerium für Infrastruktur und Digitales legte eigens eine Förderung für kleine Kommunen auf, um das Carsharing im ländlichen Raum voranzutreiben. Betreut wird es von der NASA GmbH. Deren Fach­zentrum für moderne Mobilität lief damit in Bad Lauchstädt offene Türen ein: Klimaschutzmanager Horst Sprenger und Bauamtsleiter Oliver Thieme

machten sich für das Pilotprojekt stark, Bürgermeister Runkel erklärte es zur Chefsache. „Bad Lauchstädt war von Anfang an von der Carsharing-Idee begeistert und ist für uns ein zuverlässiger Partner“, erzählt Bettina Weimann, die im Fachzentrum das Pilotprojekt begleitet. Im November wurden die ersten beiden Autos ausgeliefert. Im Beisein von Verkehrs- und Infrastrukturministerin Dr. Lydia Hüskens (FDP) wurde das Carsharing dann offiziell gestartet.

Das Land stellt für das dreijährige Modellprojekt bis zu 145.000 Euro bereit, die Kommune übernimmt einen Eigenanteil von 20 Prozent. Ziel ist es, dass sich das Angebot langfristig selbst trägt. „Wir wollen, dass die Menschen in Sachsen-Anhalt alle Formen der Mobilität frei wählen können“, betonte Ministerin Hüskens beim Projektstart in der Goethestadt. Bad Lauchstädts innovatives Carsharing-Angebot sei ein gelebtes Beispiel dafür. Für Bürgermeister Runkel steht heute schon fest: „Unser Angebot ist keine Eintagsfliege.“ Und auch andere Kommunen Sachsen-Anhalts können von dem Angebot der NASA profitieren und zusammen mit dem Fachzentrum zusätzliche Mobilitätsangebote auf den Weg bringen.

jetzt-mobil.de

Ansprechpartner und Vermittler für innovative Projekte

Das Fachzentrum für moderne Mobilität der NASA GmbH unterstützt Städte und Gemeinden: Gegründet 2023 kümmert sich das vierköpfige Team um die Förderung und Entwicklung klimafreundlicher Mobilitätslösungen in Sachsen-Anhalt. Zu den Projekten zählen neben dem Carsharing-Angebot die Einführung eines digitalen Schließsystems für Fahrradboxen an Bahnhöfen, die Entwicklung eines touristischen Verkehrskonzeptes für die Stadt Thale sowie der Aufbau eines Lehrgangs zum kommunalen Mobilitätsmanagement. „Wir sind zentraler Ansprechpartner und Vermittler für innovative Projekte“, sagt NASA-Expertin Bettina Weimann.

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